Die hiesigen Thermalquellen, deren Temperatur bis zu 73,4
oC erreicht, gehören zum vorerzgebirgischen Gebiet der Sauerbrunnen (Säuerlinge). Durch den Einfluss der hohen Temperatur der Therme tritt hier das mechanische Vermischen des Wassers und des gasförmigen CO
2 in Erscheinung, was u. a. den unterbrochenen Charakter des Herausspritzens der Sprudelquelle verursacht. Die grundlegende chemische Zusammensetzung aller Ergüsse der Therme ist beinahe identisch. Das Karlsbader Wasser ist eine natürliche warme Ionenlösung, die gelöstes Kohlendioxid – CO
2 – enthält. Die aufgelösten Hauptbestandteile sind Natrium, Kalzium, Kalium und Magnesium sowie ferner Hydrogencarbonat, Sulfat und Chlorid und viele weitere Mineralstoffe in kleinen bis Spurenmengen in wirksamer Ionenform.
Die einzelnen Quellen unterscheiden sich voneinander durch ihre Temperatur, durch den Gehalt des freilöslichen Kohlendioxids, durch die Radioaktivität sowie durch die Konzentration der Neben- und Spurenelemente. In der Fachterminologie handelt es sich um thermales, hypotonisches, stark mineralisiertes Mineralwasser des Typs Na-HCO3SO4Cl (alkalisch, glaubersalzhaltig, gemäß der älteren Nomenklatur alkalisch-salinisch-muriatisch). Eine große Rolle für den therapeutischen Effekt des Genusses dieses Wassers spielt der Gehalt an pharmakodynamischen Wirkstoffen.
Die Quellen sind schwach radioaktive Bruchstrukturen, in denen das Mineralwasser zirkuliert, in die Atmosphäre zahlreiche wesentliche Stoffe emittiert, die offensichtlich einen günstigen Einfluss auf den menschlichen Organismus haben.
Für die Bedürfnisse des Kurwesens, somit für Trinkkuren in fünf Kolonnaden-Objekten und vier Quellenpavillons oder sog. Glorietten, sowie zur inneren und äußeren Kuranwendung werden heute 12 Hauptquellen genutzt, die zu natürlichen Heilquellen erklärt wurden: der Sprudel, di Quelle Karl IV., die Untere Schlossquelle, die Obere Schlossquelle, der Marktbrunnen, der Mühlbrunnen, die Quelle Rusalka, die Fürst-Wenzel-Quelle, die Libussa-Quelle (Libuše), die Felsenquelle, die Freiheitsquelle, die neue Parkquelle und die alte Parkquelle, die Schlangenquelle.
Bis zum 18. Jahrhundert gab es in Karlsbad grundsätzlich Bäderbehandlungen, obwohl bereits im Jahre 1521 Dr. Václav Payer das hiesige Thermalwasser auch zum Trinken empfahl. Die Kranken verblieben im Einklang mit den Erkenntnissen der damaligen Kurmedizin in den heißen Bädern, die in gemeinschaftlichen Bassins verabreicht wurden, häufig über mehrere Tage, so lange, bis das „Zerfressen“ der Haut einsetzte. Das Thermalwasser wurde auch zur Behandlung von Hautkrankheiten genutzt. Beim Sprudel wurden für die Heilanwendungen vier größere Becken errichtet, das erste für Kranke mit inneren und rheumatischen Schmerzen, das zweite für all jene, die an der Krätze litten; im dritten Becken wurden Leprakranke und im vierten Becken an Hautgeschwüren Leidende gebadet.
Die Trinkkur fasste jedoch 250 Jahre später Fuß, und zwar auf Anregung von Dr. David Becher, der als einer der ersten eine chemische Analyse des Mineralwassers vornahm. Die Behandlung durch Trinken bewährte sich bald, insbesondere bei Erkrankungen des Magens, des Darms und der Leber, sodass in der Folge die unangemessenen Bäder verdrängt wurden.
Auch die Trinkkuren nahmen mit der Zeit extreme Formen an, indem die Kranken gezwungen wurden, nach und nach 11-51 Becher zu ca. 140 ml, somit 1,5-7 Liter täglich, zu trinken. Mit dem Fortschreiten der wissenschaftlichen Erkenntnisse kam es zu einer Mäßigung und zum wechselseitigen Angleichen beider grundlegender Behandlungsarten, der Bäder- und der Trinkkur. Die Grundlage der heutigen Karlsbader Behandlung ist das wiederholte Trinken des Thermalwassers, welches in seiner Konsequenz eine erhöhte Zufuhr von Wasser und Mineralstoffen für den Körper und nachfolgend die Regulierung des Wasser- und Mineralhaushaltes des Organismus bedeutet. Neben dem direkten Einfluss auf die Schleimhäute, auf den Stoffwechsel und die Entgiftungsprozesse in den Körperzellen beeinflusst die Karlsbader Behandlung in günstiger Weise auch die mikrobielle Besiedlung des Darms und ihre Produktion. Die Karlsbader Behandlung ist daher eine natürliche pharmakologische Therapie bei Erkrankungen und postoperativen Zuständen des Verdauungstraktes und des Gallensystems, der Leber, der Bauchspeicheldrüse und einiger Stoffwechselerkrankungen (Diabetes) und Erkrankungen der Harnwege.
Der Gesamtgehalt der Mineralstoffe beträgt ca. 6,5 g je Liter. Sofern der Patient einen Liter des Karlsbader Wassers täglich für die Dauer von 3 Wochen austrinkt, nimmt er 130-140 g dieser Mineralstoffe auf. Der besseren Vorstellung halber umgerechnet in Tabletten zu je einem halben Gramm (der Größe von z.B. Aspirin) handelte es sich um 260-280 Tabletten – etwa 13 Tabletten täglich. Die Karlsbader Behandlung ist keine Homöopathie, auch keine alternative Naturheilkunde, sondern eine reguläre Pharmakotherapie, die in natürlicher Weise entstand und ein glücklich ausgewogenes Ensemble von Mineralstoffen in wirksamer Form darstellt.
Nach dem Austrinken gelangt das Karlsbader Wasser über den oberen Verdauungstrakt in den Darm, wo es absorbiert wird. Seine Bestandteile gelangen über die Blutbahn in die Leber oder über die Lymphe direkt in den Kreislauf des Körpers zu den Geweben. Daher überrascht es nicht, dass sein Einfluss im Magen und Darm, in der Leber und in der Bauchspeicheldrüse, jedoch auch im gesamten Stoffwechselprozess in Erscheinung tritt.
Die Trinktherapie erfolgt stets an den Quellen für die Dauer von mindestens 3 Wochen auf nüchternen Magen (eine halbe bis 1 Stunde vor dem Essen) morgens, abends und häufig auch vor dem Mittagessen durch das Austrinken von 200 bis 600 ml Wasser je nach der Vorschrift des Arztes. Zugleich sind die „Zehn Regeln der Karlsbader Trinkkur einzuhalten. Ein nicht wegzudenkender Bestandteil der komplexen Karlsbader Behandlung ist jedoch nicht nur die Trinktherapie mittels der Karlsbader Quellen, sondern auch eine geeignete Diät sowie zusätzliche balneologische und physiotherapeutische Heilanwendungen.
Das Karlsbader Wasser ist durch den Gehalt seiner Mineralstoffe auch für die Haut des Körpers wohltuend und wird aus diesem Grunde zur Herstellung der Karlsbader Kosmetik verwendet.